Als erstes eine
Turmspitze dann einige Windräder und schließlich ein dunkler Strich am Horizont
,- „Polen ist in Sicht“.
Wir sind heute Morgen um 6 Uhr aufgebrochen, haben uns
zunächst mühsam von der Hafenmole frei gekreuzt und sind dann mit ausgebaumter
Genua auf Kurs Kolobrzeg(Kolberg) gegangen. Jetzt können wir die Stadt sehen
doch leider verhält es sich mit Städten am Horizont so, dass sie stundenlang
einfach nicht näher zu kommen scheinen. Wir sind müde, für Hannah war die Fahrt
auch megamäßig anstrengend und wir wollen endlich Polen sehen. Uns fliegen bei
dem Anblick des neuen Landes tausend Gedanken durch den Kopf: Wird es irgendwelche
Grenzkontrollen geben? Hätten wir uns per Funk anmelden müssen? Wie werden die
Wellenverhältnisse in der Flussmündung, wo die Strömung des Flusses auf die Wellen
der Ostsee treffen, sein? Werden wir das Boot in Polen überhaupt alleine lassen
können? Und wie werden die polnischen Häfen aussehen?
Jost war, zugegeben, eher bestrebt, die polnische Küste
möglichst schnell hinter sich zu bringen und die gewonnene Zeit auf einsamen, finnischen
Schären zu vertrödeln. Aus diesem Grund war Kolobrzeg auch eher notgedrungen
der erste polnische Anlaufpunkt. Ich wollte natürlich so viel wie möglich von
Polen sehen weil ich mir zu Beginn absolut nicht vorstellen konnte wie es da
aussieht, so kam das frühe Anlaufen nur recht. Weiter in Osten anzulegen, wäre auch
eine zu lange Strecke von Bornholm aus gewesen. Nun kam Kolobrzeg näher und näher. In der
Mündung der Parseta, durch die wir zum Hafen fahren mussten, war viel Verkehr.
Insbesondere hatte das Hafenhandbuch etwas von Touristen-Piratenschiffen
erzählt, was sich uns nun erschloss. Es waren große Touristen-Dampfer die, mehr
oder weniger kunstvoll, auf Piraten- bzw. Wikingerschiffe getrimmt waren.
In den mächtig befestigten Mündungsbereich fuhren wir wie in
eine Burg, die Wellen wurden tatsächlich etwas ruppig, dann waren wir drin. An
den Kais gammelten ein paar Sowjet-Kriegsschiffe und Fischkutter, die den
Touristen als Kulisse für ihre Fotos dienten, auch wir wurden gründlich
abgelichtet und gefilmt. Der vordere Mündungsbereich war eine herausgeputzte Touristenmeile,
der Hafenbereich weniger. Hier dominierten alte, zum Teil noch aktive
Industrieanlagen und Werften. Es sah „ostblockmäßig“ aus, wir waren begeistert.
Da waren wir nun mit polnischem Boden unter den Füßen. Schon
bei der Einfahrt hat man gemerkt , dass hier etwas anders ist. Es mag an der
plötzlich auftauchenden Menge von Touristen, oder an der Tatsache, dass wir in
einem völlig neuen und unbekannten Land waren, liegen.
Mir hat es auf jeden Fall, sehr gefallen. Direkt hinter dem
Fußgängerweg am Hafen, grenzte eine rote Backsteinmauer, wo von der anderen
Seite Live-Musik und Grilldunst aus drei Schlöten zu uns rüber zog. Ein herrlicher
Empfang.
Das sollte nicht unsere letzte Begegnung mit der festungshaften Tawerna sein. Bei dem äußerst freundlichen Hafenmeister erhielten wir alle Informationen über den Hafen und zahlten einen absoluten fairen Preis für die Hafennutzung, von siebenundzwanzig Zloty, umgerechnet sieben Euro.
Das sollte nicht unsere letzte Begegnung mit der festungshaften Tawerna sein. Bei dem äußerst freundlichen Hafenmeister erhielten wir alle Informationen über den Hafen und zahlten einen absoluten fairen Preis für die Hafennutzung, von siebenundzwanzig Zloty, umgerechnet sieben Euro.
Am Ende der Instruktionen erhielten wir jeweils, eine
Gutscheinkarte wofür wir in der Tawerna 15% Ermäßigung auf zwei Bier erhalten
würden.
Wir kochten uns ein Essen, kundschafteten die
kostenpflichtigen sanitären Einrichtungen aus, welche ich später, ohne die
Zahlung einzusehen, überkletterte. Wir waren so etwas ja gar nicht gewöhnt, in
Dänemark und Deutschland war Toiletten immer umsonst, so stießen wir, wie jeder
normale Mensch, alles Neue erstmals ab. Hauptsächlich aber feierten wir für
uns, in Polen angekommen zu sein und nun
endlich da waren, denn es galt ein unbekanntes Territorium zu entdecken.
Ich meine was blieb uns denn anderes übrig als nach einer
langen und schweren Überfahrt, in die Tawerna zu gehen? Was hätten wir denn
sonst machen sollen?
So gingen wir zur Tawerna um einen kurzen Blick hinein zu
werfen. Nur Jost und Ich gingen, Hannah wartete im Boot, da wir beide ja nur
kurz gucken, und danach, gemeinsam zu dritt, einen Film schauen wollten. Im
Endeffekt: Hannah schlief, wir wurden von den Polen in Grund und Boden getanzt
und mussten uns obendrein als Tanzpartner erweisen. Um ca. 2 Uhr ließ uns die
Tawerna wieder los. Den Film guckten wir nicht mehr.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf, mit dem Bewusstsein,
dass wir für den Verlauf unserer jetzigen Strecke schon weit gekommen sind,
Kolberg in aller Ruhe zu erkunden. Es war ja die erste polnische Stadt. Um
unsere Paranoia zu befriedigen und das alt bekannte Klischee zu erfüllen,
bastelten wir uns ein Schloss für Gerda, welches uns vor den „unglaublichen
polnischen Diebstählen“ schützen sollte.
Die Stadt an sich bot uns Platenbauten vom feinsten mit
reingepflanzten, in regelmäßigen Abständen aufgestellten Kiosken und
Konsumspots. All das, verfälschte aber kein Stück die polnische Mentalität. Die
Menschen sind freundlich, aufgeweckt, auf ihre Weise modern und arbeitswütig,
ja es macht den Eindruck als wären sie sich für nichts zu schade.
Unsere Reise setzten wir mit dem Hafen von
Darlowo(Rügenwalde) fort. Der Seeweg selber gestaltete sich angenehm und
gewohnt, wie die Übelkeit die Hannah und mich anfangs befiel, war mehr gewohnt
als angenehm. Die Hafeneinfahrt wurde durch eine blaue Brücke versperrt, welche
den Touristen, und den wahrscheinlich geringen Anwohnern, verhalf, auch die
Attraktionen auf der anderen Flussseite wahrzunehmen. Die Brücke zog sich
auseinander, das Piratenschiff fuhr raus und wir hinein. Nicht weit dahinter
legten wir am Pier an, denn dort lagen auch andere Yachten. Durch die gerade
durchlaufende Form von den Molen bis zum Hafen, konnten die Wellen, zwar
vermindert aber dennoch konnten sie, an Gerdas Rumpf klatschen, was zusammen
mit den von vorbeifahrenden Schiffen entstehenden Wellen, keinen gemütlichen
Aufenthalt und schon gar nicht eine gemütliche Nacht werden würde. So legten
wir uns vor Kopf des Piers, also auf die linke Seite einer kleinen
Einbuchtung(Ich weiß, es ist schwer sich das vorzustellen), um festzustellen,
dass es dort auch nicht viel besser ist.
Zu allem Verdruss, kam noch hinzu, dass die Toiletten abgeschlossen waren und
kein Hafenmeister zur Stelle war. Dank dem Hafenhandbuch von 2007 wussten wir,
dass ein Seemeile landeinwärts, ein kleiner Fischereihafen sein sollte, den wir
vorzogen. Beim Anlegen offenbarte sich nur das Problem, dass der Steg zum
Anlegen gerade abgerissen wurde und nur aus zwei, zu dem Ufer parallel
verlaufenden Balken bestand, aus denen in sämtlichen Formen rostige Nägel
ragten. Wir legten trotzdem an und balancierten halt vorsichtig auf den Holzbalken.
Nachts, warum nachts? Er hat uns doch am Mittag schon
gesehen, scheuchte uns ein knubbeliger Security von dem maroden Steg, ohne sich
auf nur eine Verhandlung einzulassen. Wie denn auch, wir konnten kein Polnisch
und er kein Englisch oder Deutsch. Verständnislos legten wir ab und fanden auf
der anderen Hafenseite hinter einem deutschen Segelpärchen ein Plätzchen,
welches bei unserem Näherkommen etwas panisch unter Deck hervor kamen, weil
ihnen am Abend zuvor, ein Yachtbesitzer ins Heck gefahren ist. Mit dem
Resultat, dass die hintere Reling verbogen und die Wind-Selbststeuerungsanlage
unbrauchbar wurde. Sie hatten Angst, dass wir das Gleiche vollbringen würden.
Die Stadt von Darlowo bot diesmal etwas mehr Altstadt als in
Kolberg, ansonsten aber keine gravierenden Unterschiede.
Um diese krönende Idylle, die uns der Hafen bot, noch weiter
aufzuwerten, backten wir einen voll funktionsfähigen Kuchen. Marmorkuchen mit
Früchtemix inside. Wurde ein voller Erfolg.
Wegen rauen Wellengangs auf See, verblieben wir zwei Nächte
in Darlowo, nach denen wir uns Richtung Leba aufmachten.
Um mich nicht gänzlich in den einzelnen Häfen zu verlieren,
wie schön sie auch sind, erwähne ich nur noch die für uns interessantesten und
beeindruckensten Begegnungen. Den Anfang macht der Slowinski-Nationalpark von
Leba, mit seinen gewaltigen, zweiundvierzig Meter hohen Wanderdünen, die eine
erstaunliche Strecke von zehn Metern im Jahr machen. Abrupt im Sand steckende
Bäume, und verschüttete Wegbegrenzungszeune, zeugen von der beträchtlichen
Geschwindigkeit welche die Dünen zurücklegen.
Auf dem höchsten Punkt der
begehbaren Wanderfläche, hat man einen phantastischen Ausblick auf die Ostsee
und die Sandküste, dreht man sich um, auch auf die Seenlandschaft von Leba. Die
Dünen sind aus einem unglaublich feinen Sand, der einem nur so zwischen den Fingern
hindurchrieselt. Dafür hat sich der Tagesmarsch von insgesamt achtzehn
Kilometern gelohnt. (Mehr Bildmaterial ist in der Bildergalerie zu finden).
Mit achtzehn Seemeilen mehr und einer Verspätung von siebeneinhalb Stunden, kamen wir
erschöpft um drei Uhr nachts in Wladyslawowo an. Grund dafür war ein schwächlicher
Gegenwind der uns zum ständigen Kreuzen gezwungen hatte. Hier blieben wir nicht
lange am nächsten Tag. Ich erledigte noch schnell den Einkauf, welcher recht
billig ausfiel: Ein Brot vom Bäcker, eine Gurke, zwei Paprika, eine Tafel
Schokolade, einen Sack Äpfel und einen Schlag Bananen, alles zusammen etwas
mehr als vier Euro.
Die nächste schöne Begegnung, hatten wir schon bei der
Einfahrt in den Hafen von Hel. Dort lag ein zweiunddreißig Meter langes
Monstrum von einem Segelschiff (Merke: Gerda ist 7,39 Meter). Die „Johan Smiedt“.
Unsere ersten Bekanntschaften saßen auf dem ca. sieben Meter
langen Baum und winkten uns zu. Die „Johan Smiedt“ ist ein deutsches Highseas-Highschool-Schiff,
was gerade aus der Karibik zurück war. Woher denn auch sonst.
Manche mögen sich jetzt wohl fragen, was ein Highseas-Highschool-Schiff
ist? Die Antwort steckt im Namen schon mit drin: Ein Schiff das auf hoher See
unterrichtet. Sie segeln sieben Monate durch die sieben Weltmeere und haben,
fast, ganz normal, in einem extra umfunktionierbaren Raum, Unterricht.
Wir schlenderten direkt nach dem Festmachen rüber und wurden, nach einem kurzen Plausch, auch zu
einer Besichtigung der Seekarten eingeladen, denn uns standen eine Menge
russischer Schießgebiete bei unserem nächsten Sprung bevor. Die Einladung
beinhaltete auch einen professionellen Wetterbericht mit fertigen Wegpunkten
den wir uns am nächsten Tag, morgens, abholen konnten.
Am Abend trafen wir, in einer Runde am Hafenbecken sitzend,
weitere der „Hochseeschüler“, welche, wie wir erfahren haben, gerade ihre
Revival-Tour feierten. Wir wurden freundlich in den Kreis integriert und
unterhielten uns bis spät in die Nacht. Besonders aufregend war die Führung
durch die „Johan Smiedt“. Unsere Führerin Heepke, ein junges, aufgewecktes Mädchen,
welches uns das Schiff sehr begeistert und detailliert präsentierte. Wir staunten nicht schlecht als es durch die „begehbare“
Küche, runter in den Maschinenraum, durch die Kojen der Mädchen und das
Klassenzimmer, wieder rauf auf das Deck ging. Es war unglaublich geräumig. Von
der Größe der Segel ganz zu schweigen. Der Rekord, um alle Segel zu setzten,
lag bei fünfzehn Minuten. Das sag schon
alles aus. Als von dem Kapitän der Abend langsam beendet wurde, gingen auch wir
wieder zurück zu unserer kleinen „Ein-Zimmer-Wohnung“.
Morgens um zehn Uhr holten wir uns, wie versprochen, den
Navtex-Wetterbericht ab, wünschten der Besatzung eine schöne Heimreise und winkten,
nach einem kurzen Sprint, der „Johan Smiedt“ vom Molenkopf aus, zum Abschied.
Es war nett, sich wieder mit Gleichsprachigen zu unterhalten.
Nun kam Danzig.
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